Stuttgarter Europa Theater Treffen


Europäische Befindlichkeiten

Edith Koerber

Seit dem letzten SETT im vorigen Jahr hat sich Europa verändert. Verjüngt? Älter geworden? Haben wir nun mehr Probleme zu bewältigen? Weniger? Und in welcher globalen Welt etabliert sich dieses jung-alte Europa? Die ökonomischen Strukturen werden umgekrempelt zu Ungunsten des Sozialen, des Kulturellen. Des Menschlichen also. Die Kriege hören nicht auf, der Fundamentalismus verfestigt sich. Nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, auch im fernen Westen. Und in Europa? Sind wir immun dagegen?

Europäische Befindlichkeiten ist das Thema des diesjährigen Festivals. Junge Künstler wie Andrej Prikotenko (St. Petersburg), Serena Sinigaglia (Mailand) oder László Bagossy (Budapest) formulieren wichtige Fragen, ihre Gefühle. Stellvertretend für ihre Generation. Und große erfahrene Männer des Theaters wie Jean-Louis Trintignant (Paris), Genco Erkal (Istanbul) und Peter Brook (Paris) suchen nach Wegen, um ihre europäische Befindlichkeit im Jahr 2004 auszudrücken.

Géza Kirchknopf-Révay

Der Schwerpunkt des diesjährigen Festivals liegt bei der griechischen Antike. Euripides und Sophokles formulierten ihre Befindlichkeit vor 2500 Jahren. Die Stücke, die sie hinterließen, inspirierten junge Theatermacher in Berlin, Budapest, Mailand und St. Petersburg zu außergewöhnlichen Inszenierungen.

Daß diese theatralischen Bemühungen im Rahmen eines internationalen Festivals in Stuttgart präsentiert werden können, schon zum siebten Mal in Folge, ist vor allem den beiden Schirmherren, Ministerpräsident Erwin Teufel und Oberbürgermeister Wolfgang Schuster zu verdanken. Aber auch das baden-württembergische Kunstministerium, der Gemeinderat und das Kulturamt der Stadt Stuttgart sollten bei unserer Danksagung nicht vergessen werden, die hartnäckig festhalten an der Idee, daß Kultur Lebensmittel ist und für alle Bürger zugänglich gemacht werden muß. Gerade dann, wenn uns allen der kalte Wind der Ökonomie ins Gesicht bläst.

Edith Koerber, Géza Kirchknopf-Révay


Das Programm Das ausführliche Programm als PDF-Dokument
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Katona József Theater, Budapest:
Top Dogs“ von Urs Widmer
Inszenierung: Lászlo Bagossy
6./7. November

BredemeyerCompany, Berlin
Medea“ von Euripides
Inszenierung: Bert Bredemeyer
8./9. November

Budapester Akademie für Schauspiel- und Filmkunst
Andromache“ und "Alkestis“ von Euripides
Inszenierung: Andor Lukáts
10./11. November

Dostlar Tiyatrosu, Istanbul
Leben auf der Richterskala“ von Behiç Ak
Inszenierung: Genco Erkal
12./13. November

Dostlar Tiyatrosu, Istanbul
Menschenlandschaften“ nach Nazim Hikmet
Inszenierung: Genco Erkal
14. November

A.T.I.R., Mailand
Die Troerinnen“ von Euripides
Inszenierung: Serena Sinigalia
15./16. November

Théâtre de la Madeleine, Paris
Apollinaire“ 
Mit Jean-Louis Trintignant
Inszenierung: Marie-Hélène Sarrazin
17./18. November

Kaserne Basel / Bart Production
"Glückliche Tage" von Samuel Beckett
Inszenierung: Peter Brook
19./20. November

Liteyny Theater, Sankt Petersburg
"Ödipus" von Sophokles
24./25. November

Alle Vorstellungen mit deutscher Übertitelung oder Synchronübersetzung.


Katona József Theater, Budapest

Top Dogs
Von Urs Widmer

Inszenierung: László Bagossy
Bühnenbild: Levente Bagossy
Kostüme: Andrea Földi

"Anna": Ágnes Bertalan
"Kristian" Erno Fekete
"Lili": Eszter Ónodi
"Mark": Zoltán Rajkai
"Vanda": Judit Rezes
"Kaspar": Gyozo Szabó
"Patrik": Péter Takátsy
"Toni": Vilmos Vajdai

Am 6. und 7. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In ungarischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung



Das Thema könnte brisanter gar nicht sein: Es heißt: strukturelle Arbeitslosigkeit - es ist das Dilemma der westlichen Industrie- und Wohlstandsgesellschaft. Doch anders als sonst wird das Thema ganz vom Kopf her aufgezäumt. Nicht um Underdogs geht es, sondern um Top Dogs. Um Spitzenmanager also, die im Zuge global bedingter Umstrukturierungen entlassen wurden und die sich jetzt, zwecks Schockabfederung, Enttäuschungsverarbeitung und späterer beruflicher Reintegration, in einem Zürcher Outplacement-Büro zusammengefunden haben...
Da ist etwas faul, nicht nur im Staate Helvetia; da bahnt sich weltweit ein ziemlich wölfischer Kapitalismus seinen Weg - in seiner Inhumanität notdürftig getarnt hinter den phraseologischen Fassaden eines dynamischen Neoliberalismus; da wird der Mensch, sofern er nicht gerade als Verbraucher benötigt wird, zunehmend überflüssig; da müssen Manager nicht nur ihre Untergebenen, sondern am Schluss auch sich selbst entlassen - das ist die groteske Logik der Ökonomie. Die Globalisierung frisst ihre Kinder. 
(Aus Gerhard Jörders Preisrede auf Top Dogs beim Berliner Theatertreffen 1997)

Der Regisseur László Bagossy über "Top Dogs":
"Die Figuren von Top Dogs sind gefeuerte Manager, die von Verzweiflung gequält, von Scham zerfressen, von Zorn zernagt werden. Sie laufen Gefahr, im Sumpf des Moralisierens zu versinken, als hätten sie die harten Parolen von einem Augenblick zum anderen vergessen: Die Nachgeborenen erinnern sich nicht an die anständigen, sondern an die profitablen Unternehmen; Anstand ist das zweitbeste Argument, Erfolg das beste; Eine moralische Null nennt man den siegreichen Konkurrenten; Zuverlässigkeit bedeutet nicht unbedingt den sicheren Auftrag; Was geschäftlich unmoralisch ist, bringt meistens Gewinn; Eine biegsame Moral ist die Stütze des Erfolgs; Prahlerei ist kein unethisches Selbstlob, sondern das Marketing des Durchbruchs.
Aber der Kapitalismus mit dem menschlichen Gesicht beeilt sich unseren Helden zu helfen. Er verordnet ihnen ein hübsches kleines crash-training, das sie in die Lage versetzt, einen neuen Job zu ergattern. Zugleich werden die verlorenen Seelen zurechtgeschüttelt, das verkrachte Selbstwertgefühl auf Turbo-Drehzahl gebracht, die Selbsteinschätzung wird geschärft, die Kampfeslust wird hochtrainiert und der abbröckelnde Glaube an Coca Cola, Credit International, American express und Toshiba wird auf Vordermann gebracht. All das geschieht mit den allerwissenschaftlichsten Methoden, mit der allerwissenschaftlichsten Psychologie! Aber nicht mit jener, die auf Krankenschein in der Klapsmühle ausgeschenkt wird! Nein! Diese Wissenschaft ist jene Wissenschaft, mit deren Hilfe man sich im geeigneten Augenblick für ein Waschpulver, eine Kreditbank oder eine Partei entscheiden kann. Also, hier kann man einiges lernen. Spitzt die Ohren, verehrte Bürger!"

"Eine Demonstration der Verlogenheiten bietet Bagossys genussreiche Inszenierung unter der Zuhilfenahme von wirbelnden Rhythmen und groteskem Humor. Harte Ausbilder der Managment-Trainingsorganisation "New Challenge Company" erziehen ihre Kunden zu felsenfesten, unverletzlichen Typen mit Übermenschen-Gehabe. Wenn ihre Kunden allerdings unbeaufsichtigt bleiben, stellt sich bald heraus, dass es doch nicht so einfach ist mit der Persönlichkeitsgestaltung. Sie fangen an zu träumen, sie benehmen sich anders: machen Geständnisse, offenbaren Gefühle, werden aufrichtg, reflektieren über sich und ihre Situation. Sie denken, lächeln, weinen, schwelgen - und hinter den Top Dogs kommen ängstliche, komplexbeladene, einsame menschliche Wesen zum Vorschein."
(Andrea Tompa, "Pesti Müsor")


BredemeyerCompany, Berlin

Medea
Von Euripides

Inszenierung und Bühne: Bert Bredemeyer
Kostüme: Paula Zeh

Darsteller: Birgit Becker und Raimund Wurzwallner

Am 8. und 9. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In deutscher Sprache



Sie ist Frau, Heilerin und Mutter. Sie ist Flüchtling, Vertriebene und Vaterlandsverräterin.
Sie ist leidenschaftlich, stolz und gefährlich. Sie ist fremd.
Medea - eine Terroristin?
Medea - ein Mythos.
Das 2500 Jahre alte Drama ist zeitlos und zugleich von großer Aktualität. Über die Jahrhunderte hat der Medea-Stoff die Literaten, Dramatiker und nicht zuletzt die Filmemacher (darunter Lars von Trier) herausgefordert, das Phänomen einer aus verratener Liebe und Verzweiflung kindermordenden Mutter philosophisch, politisch und moralisch auszuloten. Gewalt, die aus der Verzweiflung entsteht und keine Grenzen kennt, ist uns heute näher denn je.
Die BredemeyerCompany geht zudem der Frage nach, was zwischen zwei Menschen geschieht, die nicht aufhalten können, was sie selbst in Gang gesetzt haben. Aus Liebe wird Hass. Und danach? 

Euripides
Geboren 485 oder 480, gestorben 407/406 v.C.
Er ist der jüngste der drei großen Tragöden - Sophokles, Aischylos und Euripides.
Der einer reichen Familie aus Phyla entstammende Dichter arbeitete abgeschieden in einer Höhle auf der Insel Salamis, hatte aber durchaus Kontakt zur Geisteswelt seiner Zeit. Er soll Schüler des Anaxagoras gewesen sein und traf mit dem Philosophen Sokrates zusammen. Seine Kontakte mit den Stoikern und/oder seine Art der Dichtung trugen ihm den Vorwurf des Kleon ein, gottlos zu sein, er nutzte die Mythen zur Darstellung menschlichen Daseins und der Zufälligkeit des Geschicks, womit er das planvoll-göttliche Wirken in den Hintergrund treten ließ.
Wenngleich er bei seinen Zeitgenossen nicht übermäßig beliebt gewesen sein soll, gewann er bei den Spielen, an denen er erstmals 445v.C. teilnahm, 441 seinen ersten Preis, später noch drei weitere. Aristophanes machte ihn für den geistigen Verfall zur Zeit des peloponnesischen Krieges verantwortlich, in seinen "Fröschen" überschüttete er ihn, trotz erkennbaren Respekts, mit Hohn und Spott.
Von Euripides blieb ein recht umfangreiches Werk erhalten, von 92 bekannten Stücken sind immerhin 18 leidlich vollständig, von anderen viele Bruchstücke überliefert.

Wir sprechen einen Namen aus und treten, da die Wände durchlässig sind, in die Zeit ein, erwünschte Begegnung, ohne zu zögern erwidert sie aus der Zeittiefe heraus unseren Blick. Kindsmörderin? Zum ersten mal dieser Zweifel. Ein spöttisches Achselzucken, ein Wegwenden, sie braucht unseren Zweifel nicht mehr, nicht unser Bemühen, ihr gerecht zu werden, sie geht. Uns voran? Von uns zurück? Die Fragen haben unterwegs ihren Sinn verloren. Wir haben sie auf den Weg geschickt, aus der Tiefe der Zeit kommt sie uns entgegen, wir lassen uns zurückfallen, vorbei an den Zeitaltern, die, so scheint es, nicht so deutlich zu uns sprechen wie das ihre. Irgendwann müssen wir uns begegnen.
(Christa Wolf, Medea Stimmen)

Heute ist Zahltag Jason heute treibt
Deine Medea ihre Schulden ein
Könnt ihr jetzt lachen Der Tod ist ein Geschenk
Aus meinen Händen sollt ihr das empfangen
Ganz abgebrochen hinter mir hab ich
Was Heimat jetzt hinter uns mein Ausland
Dass es nicht Heimat wird euch mir zum Hohn
Mit diesen meinen Menschenhänden Ach
Wär ich das Tier geblieben das ich war
Eh mich ein Mann zu seiner Frau gemacht hat
Medea die Barbarin Jetzt verschmäht
Mit diesen meinen Händen der Barbarin
Händen zerlaugt zerstickt zerschunden vielmal
Will ich die Menschheit in zwei Stücke brechen
Und wohnen in der leeren Mitte Ich
Kein Weib kein Mann
(Heiner Müller , Medeamaterial Landschaft mit Argonauten)


"Regisseur Bert Bredemeyer braucht zwei Schauspieler, wenige Lichtwechsel und Toneinsätze, sowie achtzig Minuten, um die Geschichte von Medea zu erzählen. Neben dem Was zeigt sich das Wie aus einer Nähe, die jedes Schummeln und jede Ungenauigkeit ans Licht brächte. Die Schauspieler legen Ihre Mittel offen. Ihre Spielweise changiert zwischen Zeigen und Sein, die Übergänge sind scharf konturiert. Ungeschminkt und in schwarzen Kostümen bemächtigen sich Birgit Becker und Raimund Wurzwallner umso spielkräftiger der Szenen. Sie sind schnell im Kopf und haargenau bis zum Augenzwinkern." (Berliner Zeitung)

 


Akademie für Film- und Darstellende Kunst Budapest

Andromache / Alkestis
Von Euripides

Regie und Klassenlehrer: Andor Lukáts
Dramaturg: Ildikó Gáspár 
Musik: Erzsi Kiss

Ablauf des Abend

Etüde "44 Feet - Piazzola"

Euripides
ANDROMACHE

Andromache Olga Kovács -Vanda Nemes
Dienerin Tibor Mészáros
Chorführer Cecília Nagy
Hermione Vera Sipos - Dorina Martinovics
Menelaosz Máté Andrássy
Amme Olga Kovács
Orestes Ádám Tompa
Bote Csaba Krisztik
Thetis Vera Sipos
Molotos, Sohn von Andromache László Barnák

Pause

Euripides
ALKESTIS

Alkestis Cecília Nagy
Admetos László Barnák
Chorführer Olga Kovács
Herakles Tibor Mészáros
Dienerin Vanda Nemes
Chor Péter Nagy -Dorina Martinovics
Der Tod Vera Sipos
Apollo Máté Andrássy
Pheres Csaba Krisztik
Diener Ádám Tompa

Etüde "Bolero"


Am 10. und 11. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In ungarischer Sprache mit deutscher Synchronübersetzung



Hätten sie nicht alle ein junges Gesicht, käme man angesichts ihrer Fertigkeiten nicht auf die Idee, es handele sich um Schauspielschülerinnen und -schüler, die die Prüfungsarbeit des zweiten Jahrgangs vom Mai dieses Jahres vorstellen. Dieses Antikenprojekt, umrahmt von Musik- und Tanzübungen, vermittelt eine spannende und sehenswerte Begegnung mit dem Ursprung der europäischen Kultur. Die Akademie für Schauspiel- und Filmkunst in Budapest ist eine Talentschmiede, die in Europa ihresgleichen sucht. Vielleicht hat das auch mit der wohltuenden Bescheidenheit zu tun, mit der die Zielsetzung formuliert wird:

"Das Unmögliche haben wir versucht als wir uns entschlossen, an der Basis zu beginnen; die griechische Tragödie ist ja die Grundlage des Theaters. Wir mußten gegen die Ansicht, die sich in unserem Nervenkostüm festgefressen hat, ankämpfen, daß man sich den griechischen Tragödien nur mit einer langjährigen theatralischen Praxis annähern darf." (Andor Lukáts)
 
 


Dostlar Tiyatrosu, Istanbul

Leben auf der Richterskala
Von Behiç Ak

Inszenierung: Genco Erkal
Bühnenbild: Baris Dinçel
Kostüme: Zerrin Tekindor

Darsteller: Genco Erkal, Sumru Yavrucuk und Erdem Akakce

Am 12. und 13. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In türkischer Sprache mit deutschen Übertiteln



Zum Stück: In der Nähe von Istanbul kurz nach dem letzten großen Erdbeben. Die Menschen in Istanbul sind in Panik. Sie warten auf das große Erdbeben, da sie schon ihr ganzes Leben in der Erbeben-Gefahrenzone gewohnt haben. Die Bewohner eines Hauses bereiten sich auf die Katastrophe vor. Der Ernst des drohenden Unglücks verkehrt sich jedoch ins komische Gegenteil, da alle Bewohner mehr mit der Regelung ihres Alltags beschäftigt sind, als sich kühl in Sicherheit zu bringen. Eine aberwitzige Komödie über die menschliche Unfähigkeit, auch angesichts größter Bedrohung vom Kleinkrämergeist abzulassen. Ein Ritt auf der Kanonenkugel...

Jeweil nach der Vorstellung gibt es ein Zuschauergespräch mit dem Autor und dem Ensemble.

Wir bedanken uns bei Carl-Philip von Maldeghem und dem Alten Schauspielhaus für die große Mithilfe bei der Ausstattung der Vorstellung.
 


Nazim Hikmet

Menschenlandschaften
(Insanlarim)


Konzipiert, adaptiert, inszeniert und gespielt von
Genco Erkal

Am 14. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In türkischer Sprache mit deutschen Übertiteln



Adaptiert von den Gedichten Nazim Hikmets erzählt "Menschenlandschaften" von den Jahren, die der Dichter als Gefangener im Gefängnis von Bursa verbrachte. Genco Erkal lädt das Publikum ein, in die poetische Welt Nazim Hikmets einzutauchen, sodass sie zu Zeugen des kreativen Prozesses in einem wahrhaft großen Dichter des 20. Jahrhunderts werden. 


SYNOPSIS

Der Dichter sitzt im Gefängnis.
Der Dichter ist ein politischer Häftling.
Die Zeit während des II. Weltkriegs.

Impression vom Leben im Gefängnis.
Ein Brief von seiner Frau.
Sorgen und Nöte.
Linderung folgt aus Schöpfung. 
Der Dichter erschafft.
Wir sehen die Erschaffung von Menschenlandschaften. 

Die Meiser Galip, Halil, Pater, Zeynep... 
Charaktere tauchen aus der Vorstellungswelt des Dichters auf um ihre eigenen Geschichten zu erzählen. 

Taranta-Babu, vielleicht aus Abessinien, erhält einen Brief von seinem Mann der in Rom lebt. Der Stadt der Schwarzhemden. 

In einem Krankenhaus in Zentralanatolien werden wir Zeugen der Geburt eines Kindes. 

Jetzt befinden wir uns im XIV. Jahrhundert, als Landarbeiter, angeführt von Sheikh Bedreddin und Mustafa, gegen die Unterdrücker des Ottomanischen Imperiums rebellierten. 

Zwischen diesen Flügen der Vorstellungskraft kommen wir immer wieder zurück in die bittere Realität des Lebens im Gefängnis. 
Wird es eines Tages wieder die Freiheit geben? Sie scheint so weit entfernt zu sein. 

Jetzt gehen wir auf eine poetische Reise zum Unabhängigkeitskrieg. 
Über die gewaltigen Wogen des Schwarzen Meeres bringt Arhavili Ismail, der Seemann, in seinem kleinen Boot ein Maschinengewehr für die Armee des Mustafa Kemal. 

Der Lastwagenfahrer Ahmet flickt einen Platten indem er den Reifen mit seinen Kleidern zustopft. 

Das Leben im Gefängnis wendet sich in eine andere Form der Gefangenschaft, dem Leben im Exil. 
 


A.T.I.R.
Associazione Teatrale Indipendente per la Ricerca Milano

Die Troerinnen
Von Euripides

(Die Inszenierung verwendet Auszüge aus der "Ilias" des Homer)

Projekt und Regie: Serena Sinigaglia
Bühnenbild: Maria Spazzi
Beleuchtung: Alessandro Verazzi
Ausstattung: Fabio Chiesa
Kostüme: Federica Ponissi

Darsteller: Fabio Chiesa, Mattia Fabris, Maria Pilar Perez Aspa, Arianna Scom-megna, Sandra Zoccolan, Matilde Facheris, Alessandro Sanpaoli, Matteo Lanfranchi, Andrea Pinna, Stefania Gulioti, Irene Sereni, Chiara Stoppa, Giada Lo russo, Vincenza Pastore, Lorenzo Piccolo, Alessandro Federico

Am 15. und 16. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In italienischer Sprache mit deutscher Übertitelung



"… ich glaube nicht, dass ich ein wertvolles Buch geboren habe. Ich hoffe nur, dass diejenigen, die diese Seiten lesen, in ihrer Überzeugung gestärkt werden, dass die Kriege, alle Kriege ein Schrecken sind. Und dass man sich nicht abwenden kann, um die Gesichter derjenigen, die in Stille leiden, nicht sehen zu müssen."
Aus "Grüne Papagaien" von Gino Strada

"Die Kriege, alle Kriege sind ein Schrecken …" scheint exakt über die Troerinnen geschrieben worden zu sein.
Troja, eine reiche, schöne und blühende Stadt ist nun verwüstet, zerstört, dem Erdboden gleichgemacht. Rauch, Schutt und Blut, viel, sehr viel Blut. Die trojanischen Frauen warten auf die Entscheidung, welchem der Griechen sie als Sklavinnen zugeteilt werden. Alle haben Ehemänner, Söhne, Väter und Mütter während des Krieges verloren. Ihre Kleider sind fadenscheinig, ihre Körper sind gezeichnet vom Hunger und von schlaflos verbrachten Nächten. Sie erheben ihre Gesänge, ihre Schmerzensschreie: sie sind die Besiegten, oder besser die besiegten Frauen.
"Die Ilias" ist ein Kriegsgedicht, es ist von Männern gemacht und es sprechen die Sieger. 
"Die Troerinnen" ist ein Gedicht über den Schrecken des Krieges, es ist von Frauen gemacht und es sprechen die Besiegten.
Jenseits jeder politischen Vernunft, jenseits jedes ökonomischen Zwangs, jenseits jeder hypothetischen Einsicht erhebt sich der qualvolle Schrei dieser Frauen.
Beim Anblick gewisser Bilder des Todes aus aller Welt empfindet man Schrecken, Bestürzung und Mitleid. Diese Gefühle müssten eigentlich ausreichen, um den Krieg, alle Kriege abzulehnen, jenseits jeder politischen Vernunft, jenseits jedes ökonomischen Zwangs, jenseits jeder hypothetischen Einsicht.
Dieses Schauspiel ist deshalb allen Opfern der derzeit geführten Kriege gewidmet.
Dieses Schauspiel stimmt also mit ein in die tausende und abertausende von Stimmen, die in diesen Jahren ihr Nein zu Kriegen ausgesprochen haben.

Serena Sinigaglia



A.T.I.R. wurde 1996 von Absolventen der Akademie für Darstellende Künste Paolo Grassi, Mailand, sowie Absolventen der Akademie der Schönen Künste, Breira, mit der Absicht gegründet, künstlerisch und organisatorisch selbstständig zu arbeiten. 
Das Ziel: einfaches, direktes, klares, energisches, innovatives Theater ohne intellektuelles Gehabe, das in der Realität und dem Heute verankert ist. Das gebunden ist an die, die es machen und die, die es anschauen. Theater: eine gemeinschaftliche Erfahrung und eine langfristige politische und soziale Arbeit.
 


Théâtre de la Madeleine, Paris

Apollinaire
Texte von Guillaume Apollinaire ("Poèmes à Lou", "Alcools")

Inszenierung: Marie-Hélène Sarrazin
Licht: Alain Poisson

Musik: Eric Satie und Daniel Mille

Mit Jean-Louis Trintignant, Daniel Mille (Akkordeon), Grégoire Korniluk (Violoncello)


Am 17. und 18. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: JES Stuttgart, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln



Jean-Louis Trintngant führt nach dem tragischen Tod seiner Tochter Marie im Jahr 2003 die gemeinsamen Projekte fort. Seit dem 25. April tritt der Schauspieler allein mit der poetischen Theateraufführung "Apollinaire" auf, die er gemeinsam mit seiner Tochter entwickelt hatte. 


Guillaume Apollinaire

Wilhelm Apollinaris de Kostrowitski wurde am 26. August 1880 als unehelicher Sohn einer polnischen Gräfin und eines italienischen Offiziers in Rom geboren, lebte ab 1898 in Paris und kurze Zeit auch als Hauslehrer in Deutschland. Er hielt sich mit erotischer Literatur über Wasser, meldete sich zur französischen Armee und wurde 1916 verwundet. 
Appolinaire wurde als enger Freund von Dufy, Braque und Matisse zum Sprachrohr der Kubisten. Er gilt als einer der Erneuerer der französischen Lyrik und hatte als Kritiker großen Einfluß auf die moderne Kunst. Der Untertitel "drame surréaliste" seines Bühnenwerkes "Les Mamelles de Tirésias" (1917) gab der surrealistischen Bewegung ihren Namen. 
Er starb am 9. November 1918 in Paris. 


Die Gedichte:

Aus "Alcools"
1) Les cholchiques
2) Rosemonde
3) ZONE
4) Le pont Mirabeau
5) Lettre à André Dupont
6) Marizibill
7) La chanson du mal aimé
8) L'adieu

Aus "Poèmes à Lou"
1) Rêverie sur ta venue
2) Il y a
3) Jolie bizarre enfant chérie
4) C'était, t'en souviens-tu
5) Train militaire
6) Et qand te reverai-je?
7) Si je mourais là-bas
8) Agent de liaison
9) L'attente 
10) La hutte en roseaux
11) Moumelon
12) Les attentives
13) Guy chante pour Lou


Kaserne Basel / Bart Produktion

Glückliche Tage
Von Samuel Beckett

Inszenierung: Peter Brook
Bühnenbild/Kostüme: Abdou Ouologuem
Licht: Philippe Vialatte

"Winnie": Miriam Goldschmidt
"Willie": Wolfgang Kroke

Am 19. und 20. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In deutscher Sprache



Ein älteres Paar, Winnie und Willie, vegetiert in einem zeitlichen und geographischen Vakuum seinem Ende entgegen. Winnie, eine Frau um die fünfzig, steckt bis zur Brust in einem Erdhaufen, neben sich eine Handtasche. Aus dieser holt sie immer wie-der einen Gegenstand hervor, "eins von den alten Dingen" - Zahnbürste und Zahnpaste, einen Lippenstift, eine Haarbürste, einen Spiegel, einen Revolver.
Irgenwo im hinteren Teil der Bühne meldet sich selten Willie, Winnies Mann, zu Wort. Meist jedoch ist er stumm, zeigt uns seinen Hinterkopf und kriecht dann in sein Loch. Jedes Wort von ihm erfreut Winnie. Denn für sie ist heute "wieder ein glücklicher Tag."
Im zweiten Akt steckt Winnie bis zum Hals in ihrem Erdhügel. Sie kann nicht einmal mehr ihren Kopf drehen.
Doch auch dieser Tag wird für Winnie "wieder ein glücklicher Tag gewesen sein".

Peter Brook

"Beckett erschreckt die Leute stets mit seiner Ehrlichkeit. Er fabriziert Objekte. Er stellt sie vor uns hin. Was er uns zeigt, ist grauenvoll, und weil es grauenvoll ist, ist es auch lustig. Er zeigt, dass wir unter keinen Umständen davonkommen, und das ist freilich beängstigend. Tatsächlich gibt es kein Mittel, um davonzukommen. Jedermann kommt noch mit dem frommen Wunsch ins Theater, dass der Dramaturg am Ende der zwei Stunden Vorstellung eine Antwort parat hält. Wir könnten diese Antwort zwar nie annehmen, aber aufgrund eines unerklärlichen Widerspruchs warten wir auch weiterhin darauf.
Wenn ein Stück von Beckett gezeigt wird, ertönen sofort spitze Schreie: Seine Stücke seien so negativ! Dieses Wort hört man am meisten. Dieses Wort möchte ich ausleuchten, denn meiner Meinung nach gibt es nichts Positiveres als die Werke von Beckett."
Peter Brook, Dire oui à la boue

"Glückliche Tage" ist Peter Brooks erste Inszenierung auf Deutsch.


Liteyny Theater, Sankt Petersburg:

Ödipus
Von Sophokles

Inszenierung: Andrej Prikotenko
Bühnenbild/Kostüme: Emil Kapeljusch
Licht: Jevgenij Ganzburg

Darsteller:
Ksenia Rappoport
Taras Bibich
Igor Botvin
Juliano di Capua

Am 24. und 25. November, jeweils um 20.00 Uhr
Spielort: Theater tri-bühne, Eberhardstr. 61A ("Unterm Turm")
In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln



"Ödipus" war die erste Regiearbeit von Andrej Prikotenko in Sankt Petersburg und richtete sofort die öffentliche Aufmerksamkeit auf den jungen Regisseur. Prikotenko sieht die antike Tragödie mit Augen des Menschen der Moderne. Er findet einen Grund für die Schauspielerei im Missverhältnis der Größe der Tragödie mit der heutigen Zeit. 
Die Kritik hob die Leichtigkeit der "Ödipus"-Inszenierung besonders hervor, eine Leichtigkeit, die sich aus dem modernen Rhythmus und dem fantasie- und humorvollen Spiel ergibt. Drei Schauspieler spielen alle Rollen des Stücks. Über den Humor führen Prikotenko und seine drei Schauspieler zum unerbittlichen Ernst der Tragödie. Die älteste Tragödie und die modernste Aufführung - so steht es auf dem Plakat des "Ödipus" im Theater am Liteyny in St. Petersburg.
"Ödipus" erhielt 2002 in Sankt Petersburg den Theaterpreis "Die goldene Sofitte" in der Kategorie "Beste Regie". Für die "Goldene Maske", einen der höchsten Theaterpreise, die in Russland zu vergeben sind, wurde "Ödipus" gleich in mehreren Kategorien nominiert: "Die beste Studioproduktion", Andrej Prikotenko für "Die beste Regiearbeit", Emil Kapeljusch für "Das beste Bühnenbild" und Ksenia Rappoport für "Die beste weibliche Hauptrolle".

Innerhalb der russischen Theaterlandschaft ist das Liteyny Theater außergewöhnlich, denn die künstlerische Leitung verzichtet auf einen Hauptregisseur. Das brachte dem Theater einerseits berühmte Regiepersönlichkeiten und andererseits junge und talentierte Nachwuchkräfte.
Fast jedes Jahr werden Schauspieler und Inszenierungen des Liteyny Theaters für die "Goldene Sofitte", den Petersburger Theaterpreis, nominiert. Darüberhinaus ergingen in den letzten Jahren mehrfach Nominierungen für die "Goldene Maske" und 2000 wurde die Kozlov-Inszenierung von Ostrowskijs "Der Wald" mit dem russischen Staatspreis ausgezeichnet, der damit nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder nach Sankt Petersburg ging.
Auszeichnungen und Berühmtheiten sind nicht die einzigen wichtigen Errungenschaften. Das gegenwärtige Liteyny Theater ist der beste Beweis dafür. Der "Liteyny Theater Workshop" hat seine ersten Schritte gemacht. Das Projekt gibt jungen Regisseuren und Absolventen der Akademien die Möglichkeit auf der Theaterbühne zu arbeiten. "Ödipus" hatte im Rahmen dieses Workshop im März 2002 Premiere.


Eintrittspreise
15,- EUR, ermäßigt EUR 10,-
20,- EUR, ermäßigt EUR 15,-
für »Apollinaire« und »Glückliche Tage«

Spielstätten
Theater tri-bühne und JES
Eberhardstr. 61, 70176 Stuttgart
S-/U-Bahn "Stadtmitte/Rotebühlplatz"

Karten- und Infotelefon
0711-2364610

Kassenöffnungszeiten
Mo-Sa 17.00 Uhr-20.00 Uhr
Bei Vorstellungen an Sonn- und Feiertagen eine Stunde vor Aufführungsbeginn

Das Stuttgarter Europa Theater Treffen wird veranstaltet vom Theater tri-bühne. In Kooperation mit dem Forum der Kulturen, dem Institut français, dem Italienischen Kulturinstitut, dem Ungarischen Kulturinstitut und dem JES. SETT wird gefördert vom Kulturamt der Stadt Stuttgart und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
 




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last updated: 29.07.2005
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