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Geldreigen

von István Kerékgyártó

Martin König, Cornelius Nieden und Carlo Benz in „Geldreigen” von István Kerékgyártó
Theater tri-bühne, Stuttgart
Inszenierung: László Bagossy
Übersetzung und Bühnenbearbeitung: Géza Révay
Bühne: Levente Bagossy
Kostüme: Renáta Balogh
Musikalisches Arrangement: Sebastian Huber
Darsteller: Carlo Benz, Severin Gmünder, Stefan Kirchknopf, Martin König, Natascha Kuch, Sofie Alice Miller, Cornelius Nieden, Christian Schaefer, Manoel Vinicius Tavares da Silva
Live-Musik: Sebastian Huber
In deutscher Sprache
Dauer: 1:45 h

Uraufführung 10. Oktober 2014
 

Seid umschlungen Millionen, möglichst auf meinem Konto! Oder wenn es schon keine Millionen sind, dann wenigstens Hunderttausend. Oder Tausend oder wenigstens etwas für einen Schuss Heroin. Wir sind im Ungarn des Jahres 2013. Ein Autor schreibt ein Stück, die Theater lehnen die Aufführung ab. Nicht etwa wegen mangelnder Qualität. Zu deutlich wird ausgesprochen und dargestellt, worum es geht: Um den Reigen des Geldes von den höchsten Kreisen bis hinunter zu den niedrigsten und wieder hinauf. Das ist zu politisch, zu gefährlich in Orbánungarn. Dieses Stück ist das Kurzportrait eines Landes der Europäischen Union. Ein Schnappschuss sozusagen.

Doch gute Schnappschüsse werden gründlich vorbereitet. Autor István Kerékgyártó, 1953 in Südungarn geboren, weiß, wovon er spricht – war er doch aktiver und erfolgreicher Teilnehmer des Geldreigens in der Nachwendezeit. Bis er 1999 mit seinem bis dahin geführten Leben radikal brach und sich zur Aufgabe machte, alles aufzuschreiben, was er aus nächster Nähe gesehen und erlebt hatte. Und er hat sehr viel gesehen. Er veröffentlichte einen Roman nach dem anderen, einer davon, „Rückwärts”, ist inzwischen auch in deutscher Sprache zu haben. Sein jüngster Roman ist im April 2014 unter dem Titel „Hurok” (Schlinge) in einem slowakischen Verlag erschienen, der ungarische Literatur vertreibt. Das Stück „Geldreigen” ist eine Dramatisierung dieses Romans.

Kerékgyártó (oder in der deutschen Bedeutung „Rademacher”, so stellt er sich übrigens deutschen Gesprächspartnern gegenüber gerne vor) hat die Struktur des Stückes „Reigen” von Arthur Schnitzler als Muster benutzt, nur dass es bei ihm vor allem ums Geld geht und nur am Rande um sexuelle Begegnungen.

Der Beginn des Reigens wird auf der höchsten Etage der Gesellschaft angestimmt, im Büro eines einflussreichen Ministers. Er fühlt sich von seinem Staatssekretär hintergangen und droht ihm, ihn platt zu walzen wie der Lastwagen einen Frosch. Den Staatssekretär sehen wir im Büro des Direktors eines staatlichen Unternehmens wieder, der ihn betrogen hat. Auch der Staatssekretär fährt seinen ganzen Einfluss auf, um den Direktor wie eine Zitrone auszupressen. Der wiederum hält sich am Besitzer einer Lebensmittelkette schadlos, dessen Opfer dann einer seiner Filialleiter ist. Und dieser macht eine Angestellte des Lebensmittelladens fertig. Die Summe, um die es in der Auseinandersetzung mit der Kassiererin geht, ist schon sehr gering, sie zieht natürlich trotzdem den Kürzeren und verliert ihren Job. Die Spirale des Betrugs, der Ausbeutung, der Abhängigkeit dreht sich weiter nach unten und endet mit einem verblüffenden Schluss!

Wir erleben in diesem Stück eine Menschenkette, in der jedes Glied einmal Täter und das andere Mal Opfer ist. Die Beziehungen, in denen diese Menschen zueinander stehen, sind tragisch, nach etwa anderthalb Stunden werden wir jedoch feststellen, dass selten eine Tragödie so komisch ist wie „Geldreigen”. Wir sehen zwar einen Querschnitt der heutigen ungarischen Gesellschaft, aber die Frage schleicht sich unaufhaltsam ein, ob wir die Elemente dieser komischen Tragödie nicht auch woanders her kennen.
 

László Bagossy

Er wurde 1967 in Dombóvár geboren, das Abitur machte er 1985 in Pécs, Südungarn. 1991 Diplom an der Janus Pannonius Universität in Literatur und Kunstwissenschaft. Ab 1990 studierte er in Budapest an der Hochschule für Theater- und Filmkunst Regie bei Gábor Székely. Fünf Jahre später, 1995, schloss er dort sein Studium mit einem Diplom ab. Seither arbeitet er als Regisseur an den beiden wichtigsten ungarischen Theatern, am Katona József Theater und dem Örkény Theater in Budapest sowie in anderen ungarischen Städten. Einige seiner wichtigsten Arbeiten – mehrere davon mit Preisen ausgezeichnet: „Hamlet”, Shakespeare (Örkény Theater); „Der jüngste Tag”, Ödön von Horváth (Katona József Theater); „Der Sturm”, Shakespeare (Örkény Theater); „Heldenplatz”, Thomas Bernhard (Katona József Theater); „König Johann”, Dürrenmatt (Örkény Theater); „Top Dogs”, Urs Widmer (Katona József Theater – seit 2002 ununterbrochen auf dem Programm).

Am Theater tri-bühne in Stuttgart hat er zum ersten Mal 2006 inszeniert: „Avatare – Ein Chat-Oratorium”. Seine Inszenierungen seither: „Das kunstseidene Mädchen”, Irmgard Keun (2007); „Kasimir und Karoline”, Ödön von Horváth (2008); „Sauerampfer und Bratkartoffeln oder Die drei Idioten”, Zoltán Egressy (2009); „Das Idaho-Experiment oder Die Geburt des Zuschauers”, István Tasnádi (2010), „Top Dogs”, Urs Widmer (2011) und „Geldreigen”, István Kerékgyártó (2014).
 

13 Nov | Donnerstag | 20:00 Uhr | Ort: Theater tri-bühne

Preise: 19 € (ermäßigt 14 €).

Ermäßigungsberechtigt: Schüler, Azubis, Studenten, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Schwerbehinderte.
(Begrenztes Kontingent für ermäßigte Karten , frühe Bestellung ratsam!)

Weitere Infos zum Kartenvorverkauf
 

Siehe auch:

Lesung und Gespräch mit dem Autor István Kerékgyártó

Theater tri-bühne, Stuttgart